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Interview mit Arne Fehlhaber

Lesen Sie hier das komplette Interview mit Arne Fehlhaber, Managing Partner & Creative Head, erschienen im Magazin "Laufrichtung" Ausgabe #4, 2025

 

"Ich liebe vor allem Marken, die mutig sind!"

Laufrichtung: Herr Fehlhaber, Sie nennen „Relevanz“ als Schlüsselbegriff für die Arbeit von brand.pack. Heben Sie sich damit von der Konkurrenz ab? Keine Designagentur würde von sich sagen, „irrelevante“ Designs zu produzieren.

Arne Fehlhaber: Das stimmt. Aber wir legen ganz besonderen Wert auf Relevanz als Maßstab für Qualität. Design muss für die Marke und für das Produkt funktionieren, ganz konkret, in der Interaktion mit dem Konsumenten (Regal oder e-commerce). Es geht nicht darum, Design-Awards zu gewinnen. Die Verpackungen müssen Aufmerksamkeit auf sich ziehen und gleichermaßen auf rationaler und emotionaler Ebene überzeugen. Hinzu kommen kleine, durchdachte Details, die beim Konsumenten für ein „smile in the mind“ sorgen. Man sollte erkennen, dass die Menschen hinter der Marke ihr Produkt lieben, mit Leidenschaft daran arbeiten und Verantwortung dafür übernehmen.

Sie arbeiten für sehr unterschiedliche Marken wie  Miele, EDEKA, Bayer, Grohe, Ferrero und UHU,
aber auch Startups wie radical smile Studios. Wie schaffen Sie es, die richtigen Designs für deren Zielgruppen zu entwerfen?

Es ist im ersten Schritt gar nicht so wichtig, sich genaue demographische Daten über die Käuferinnen und Käufer anzusehen. Wir schauen uns vielmehr die Bedürfnisse an, die die jeweiligen Produkte bedienen. Und wir blicken auf die Menschen, die die Produkte herstellen, denn deren Haltung wird ja durch die Marke ausgedrückt. Wir überlegen uns dann, wie sich diese Haltung im Verpackungsdesign niederschlagen kann. Wir versuchen dabei, in Marken-Gesten zu denken.

Wie verändern sich die Anforderungen Ihrer Kunden? Welche Trends zeichnen sich ab?

Natürlich werden Verpackungen auch durch den Zeitgeist beeinflußt, der sich aus vielen Bereichen wie Mode/Wohnen/Lifestyle übertragen läßt. Aber spezifisch für Verpackungen zeichnte sich  eine Veränderung durch das Thema Design4Recycling ab. Treiber hierfür ist die PPWR viele Unternehmen suchen nach Wegen, Verpackungen schlauer zu gestalten, um z.B. Plastik durch papierbasierte Stoffe zu ersetzen, um Gewicht oder Volumen zu reduzieren oder die Verpackungen recyclingfähiger zu machen, etwa mit mehr Monomaterial. Zwei Beispiele: Im Kosmetikbereich arbeitete man früher gern mit sehr großen Kappen, die mit ihrer individuellen Gestaltung die Marke betonen. Mittlerweile hat man mit viel kleinere Kappen. Man sieht zudem in fast allen Produktbereichen, dass die Farbe Schwarz deutlich weniger verwendet wird. Sie enthält häufig Rußpartikel, was dazu führt, dass die Verpackung im Recycling-Prozess ausgesondert wird. Nachhaltigkeit ist eine starke Tendenz, die auch nicht mehr verschwindet. Aber, um es klar zu sagen: Wir sprechen das Thema als Agentur zwar bei jedem Projekt an. Es gibt aber immer noch Kunden, die es nicht wollen oder die Mehrkosten nicht tragen können. Oft kosten umweltschonendere Varianten eben ein paar Cent mehr.

Drückt sich Nachhaltigkeit auch auf der Ebene der visuellen Gestaltung aus – im Sinne von „weniger ist mehr“?

Es gibt eine Tendenz zu reduzierteren Designs, weniger Verzierung, weniger Bilder, weniger Infos auf den Verpackungen. Aber das bringe ich nicht unbedingt mit Nachhaltigkeit in Verbindung. Es hängt eher mit der steigenden Reizüberflutung zusammen, der wir jeden Tag ausgesetzt sind. Man bemüht sich, den „Informationsmüll“ auf Verpackungen zu reduzieren. Da, wo alles laut ist, ist der Leise vielleicht auffälliger.

Aber Nachhaltigkeit ist auch zum visuellen Code geworden, oder?

Ja. Vor allem das gern verwendete Packpapierbraun. Man sorgt auch dafür, dass der Kunde mehr vom Material sieht, auch ungestrichene Kartonagen. Es gibt Hersteller, die diese Codes bewusst ausnutzen, ohne einen nachhaltigen Effekt zu erzielen. Viele haben früher den Karton auf der Innenseite ungestrichen gelassen und ihn außen gestrichen, heute machen sie es umgekehrt. Oder sie drucken einfach Packpapierbraun als Farbe auf den Karton. Diese Form von „Greenwashing“ fällt vielen Konsumenten gar nicht auf.

Ist es beim Design nicht schwierig, alle drei genannten Faktoren unter einen Hut zu bringen – Marke, Funktionalität für den Verbraucher und Nachhaltigkeit? Da müssen Sie doch jeweils Kompromisse machen.

Ja, wir reden hier nicht vom kleinen Einmaleins. Aber es gibt immer Lösungen, die diese Vorgaben sehr gut kombinieren. Es ist die große Herausforderung, diese zu finden. Gerade das befeuert unsere Kreativität, denn mit Limitierungen macht es erst richtig Spaß. Ohne ist das Feld zu weit offen. Es ist viel spannender, wenn das Briefing lautet: Macht Premium, aber auf braunem, ungestrichenen Karton! Dann laufen die Synapsen heiß und man fragt sich, wie man das ohne Kaltfolie oder Veredelung clever hinbekommen soll.

Verpackungen müssen heute nicht nur im Regal, sondern auch im E-Commerce funktionieren. Wird man auf Dauer zweigleisig fahren?

Das kommt darauf an, ob die Verpackung beim E-Commerce gleichzeitig die Versandbox ist. Dann braucht man eine separate Lösung, ansonsten nicht. Schließlich erhöhen unterschiedliche Varianten die Komplexität in der Logistik. Natürlich: Eine Verpackung wird im Regal ganz anders wahrgenommen als auf einem daumengroßen Bild im Internet. Dafür lassen sich aber virtuelle Varianten produzieren. Man kann allerdings für den E-Commerce ressourcenschonendere Lösungen finden, weil man nicht so sehr auf die Verpackung als Werbeträger angewiesen ist – der Artikel wurde ja bereits gekaut. Die US-Waschmittelmarke Tide hat schon mal mit einem hybriden Konzept gearbeitet: Im Supermarkt gibt es als Behälter die klassische Plastikflasche, im E-Commerce einen Beutel, der durch eine Kartonbox geschützt ist.

Ihr Verpackungsdesign für die Thermostate von tado° wurde mit dem Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnet. Warum?

Tado ist ein wunderbares Beispiel für das Thema Relevanz. Wir haben unter anderem die Größe verkleinert, wobei die Produkte bei weniger Leerraum immer noch optimal geschützt sind. Zudem haben wir für die verschiedenen Produktvarianten eine Verpackungs-Grundform entworfen, die nur mit dem Markenlogo bedruckt und damit universal verwendbar ist – die Einzelinformationen enthält ein zusätzlicher Kartonschuber. Darüber hinaus sind die Verpackungsteile – je nach Drehung – für verschiedene Produktgrößen nutzbar. Und: Die Produkte innerhalb der Box sind einzeln versiegelt. Wird die Box retourniert, kann man direkt sehen, welche Komponenten bereits benutzt worden sind und überprüft werden müssen. Die noch verschlossenen Produkte können unproblematisch wieder in den Handel gegeben werden.

Was halten Sie von Smart Packaging? Verpackungen können über digitale Codes viele zusätzliche Informationen transportieren.

Die weitere Entwicklung lässt sich noch nicht genau absehen. Heute, mit dem Smartphone, ist die Nutzung von QR-Codes und Ähnlichem etwas unbequem. Wenn aber in der Zukunft KI-Brillen Einzug halten, kann sich ein großes Potenzial auftun. Als Designer hoffe ich allerdings, dass die virtuellen Möglichkeiten die Bedeutung der eigentlichen Verpackungsgestaltung nicht mindern werden. Veränderungen wird es aber bereits geben, wenn Hersteller verpflichtet werden, Nährwertangaben und andere Informationen zu Produkten nicht mehr über die Verpackung, sondern über Smart Labels zu kommunizieren. Dynamische Lösungen wie der GS1-Code lösen dann nicht nur den statischen Barcode ab, sondern transportieren auch Angaben zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Dazu dürfen im Rahmen der Green-Deal-Bestimmungen künftig nicht einfach Signets oder Icons verwendet werden.

Sprechen wir über die Arbeitsprozesse bei brand.pack. Inwiefern haben Sie schon Künstliche Intelligenz im Einsatz?

Wir setzen bereits Textsysteme wie ChatGPT ein, um beispielsweise Konzept-Texte zu formulieren. Ich persönlich finde Claude von der Formulierung her am besten, während Perplexity die Quellen am besten transparent macht. Bild-KI wie Midjourney, Dall-E und Adobe Firefly nutzen wir zur Inspiration und Ideenfindung, aber nicht darüber hinaus. Ich gehe davon aus, dass insbesondere generative KI künftig noch weitergehend in unsere Prozesse integriert wird. Daher schauen wir da sehr genau hin und bauen unsere Expertise aus.

Wie lassen Sie sich – von generativer KI abgesehen – inspirieren? Woher kommen Ihre Ideen?

Entscheidend ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Wir Designer sind ja grundsätzlich visuelle Menschen. Irgendwo gibt es immer ein Detail, das hängen bleibt. Das muss gar nicht im Supermarkt sein. Häufig kommen Inspirationen auch aus anderen Bereichen. Das speichert man ab, und irgendwann kann man es verwenden.

Welche Marken finden Sie in puncto Verpackung interessant? Viele Kreative verehren ja Apple.

Natürlich, ich auch. Diese sehr reduzierten Boxen, die auf den ersten Blick sehr einfach wirken, aber eben doch mit den allerhöchsten Ansprüchen produziert sind. Man zieht den Deckel ab, und da ist dieser genau austarierte leichte Widerstand, der das Unboxing zum unverwechselbaren „Apple-Moment“ macht. Aber es gibt sehr viele Unternehmen, die mich mit ihren Verpackungen beeindrucken. Ich liebe vor allem Marken, die mutig sind, aber nicht zu trocken und nur sachlich sind; die auch mal über sich lachen können und das auch über ihr Packaging herüberbringen.

Marken wie Fritz Kola, True Fruits oder Oatley, die eine gewisse Leichtigkeit und Selbstironie ausstrahlen?

Ja, in diese Richtung geht es. Marken, die sich trauen, mit den Regeln ihrer Kategorie zu brechen oder  sogar neue Kategorien schaffen. Ihre Verpackungen stechen heraus, weil sie den Mut haben, sich über die angestammten Spielregeln hinwegzusetzen. Dazu gehört auch, sich nicht von der Marktforschung irritieren zu lassen. Wer sein Verpackungsdesign von Pre-Tests abhängig macht, kann viele Chancen vergeben.

In den meisten Kategorien im Handel herrscht ein recht einheitliches Verpackungsdesign. Hat das damit zu tun, dass man auf Basis von Marktforschung auf „Nummer Sicher“ geht?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber vielleicht ist es eine deutsche Eigenart. Die Hersteller neigen hier stark dazu, die Produkte auf den Verpackungen abzubilden. Auf einer Käse-Packung meist der gleiche Aufbau. Gerne auf einem urigen Holztisch, Teller mit Stulle und Käse, garniert mit Petersilie o.ä.. Das ist in anderen Ländern überhaupt nicht so festgefahren. Vor allem in Skandinavien, aber auch in Großbritannien nutzt man das Packaging viel stärker zum Storytelling. Schauen Sie sich zum Beispiel die Verpackungen der britischen Chipsmarke Tyrrells an. Dort wird – je nach Produktvariante – mit verschiedenen, historisch anmutenden Schwarz-Weiß-Bildern gearbeitet. Da sieht man zum Beispiel drei Feuerwehrleute, die eine riesige Peperoni tragen – besser kann man das Thema „feurige Schärfe“ doch kaum umsetzen.

 

Zur Person

Arne Fehlhaber, Managing Partner & Creative Head

Arne Fehlhaber startete seine Karriere 2000 als Design Director bei der Marken- und Designagentur Peter Schmidt Group. Es folgten Stationen bei den Agenturen Feldmann+Schultchen, Lothar Böhm, Geometry Global. Darüber hinaus war er als freier Dozent an der HTK Hamburger Technischen Kunstschule tätig. 2018 stieg Fehlhaber bei der Hamburger Agentur brand.pack ein, die auf Verpackungsdesign für Markenartikler spezialisiert ist. Hier führt er den Bereich Kreation und verantwortet alle strategischen Marken- und Design-Entwicklungen

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